Umdenken wohl erst in der Krise

Vortrag von Prof. Dr. Niko Paech in Bremervörde

Foto: Dr. Hans-Joachim Andres

Klimawandel, Landverbrauch und das Ende der Ölvorräte werden unser Leben drastisch verändern. Das wissen mittlerweile viele Menschen, aber Alternativen können sie sich kaum vorstellen. Wie ein Leben mit reduziertem Wirtschaftswachstum aussehen könnte, erfuhr eine interessierte Zuhörerschaft am Dienstagabend im Hotel Daub in Bremervörde.

Die „Schutzgemeinschaft ländlicher Raum Nord-West e. V.“ hatte Prof. Niko Paech, Volkswirt an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, eingeladen, um mögliche Auswege aus dem Dilemma aufzuzeigen. Der Referent selbst lebt bewusst nach dem Motto „Weniger ist mehr“, indem er beispielsweise auf PKW, Fernseher und Handy verzichtet. Moderiert wurde der lebhafte Abend von Manfred Schuster.

Nach Meinung von Prof. Paech ist der Versuch, steigendes Wirtschaftwachstum mit vermehrtem Engagement bei der Energiewende ausgleichen zu wollen, ein gewaltiger Irrweg. Die Vermaisung, Vergüllung und Verspargelung unserer Landschaft wird demnächst dazu führen, dass das Agrarland Niedersachsen Lebensmittel für den eigenen Bedarf aus anderen Ländern einführen muss. Dabei sind erhebliche Transportkapazitäten notwendig, die im eklatanten Widerspruch zu den geforderten CO2-Einsparungen stehen.

Selbst die Produktion eines harmlosen Glases Mineralwasser sei durch Förderung, Verpackung und Logistik mit einem erheblichen Ölverbrauch verbunden. Ein Laptop besteht beispielsweise aus vielen Komponenten, die aus der ganzen Welt zum Produktionsort herangeschafft werden. Die billigsten Teile machen das Rennen, egal aus welchem Land der Welt sie herangeschafft werden müssen. Für manche Produkte reicht diese Wertschöpfungskette zweimal um den ganzen Globus.

Dieser Wirtschaftswettlauf könnte nur durch eine bewußte Reindustrialisierung gestoppt werden. Dabei würde die Arbeitszeit beispielweise auf 20 Stunden verkürzt und in der verbleibenden Zeit werden die Menschen zu Selbstversorgern, d. h. sie lernen Nahrungsmittel zu produzieren und Reparaturen selbst durchzuführen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Tauschbörsen für Material aber auch für Dienstleistungen („wenn Du mein Fahrrad reparierst, mähe ich Deinen Rasen“). Andere Produkte und Dienstleistungen werden bevorzugt aus der Region bezogen, eventuell sogar mit einer eigenen regionalen Währung. Und erst danach kommt die überregionale Wirtschaft zum Zuge. Viel wäre auch gewonnen, wenn die Lebensdauer von Geräten durch Pflege oder Reparaturmaßnahmen verdoppelt werden könnte und selten benutzte Geräte mit Nachbarn geteilt würden. Trotz alledem würden wir nicht zu Asketen werden, sondern einfach nur bewußter leben und genießen.

Auf die Frage, wie der Staatsapparat mit den dann deutlich verminderten Steuereinnahmen funktionieren könnte, meinte der Referent: „Ein drastischer Abbau der vielen Subventionen z.B. im Verkehr und in der Landwirtschaft würde den Haushalt schnell konsolidieren“.

Prof. Paech ist sich auch im Klaren darüber, dass er mit seinen Vorträgen allein kein Umdenken erreichen kann, denn dazu sind die Menschen viel zu bequem. Erst eine Krise wird uns neue Lebensweisen aufzwingen. Und dann ist gut beraten, wer sich zumindest schon einmal gedanklich mit den Themen beschäftigt hat oder – noch besser – wer sie teilweise schon praktiziert („wir müssen anfangen, kleine Inseln zu bilden“).

Die rege Diskussion während des Vortrags und auch noch danach zeigte, dass der Referent interessante Vorschläge gemacht hat, die auch weit über den Abend hinaus zum Nachdenken anregen werden.

Text: Dr. Hans-Joachim Andres

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